Ereignisse

Absturz in den Bodensee

Der Nachtaufklärer stürzte nach Mitternacht bei Uttwil in den Bodensee. Die Maschine trug das Kennzeichen UP-R.

Die wenigen geborgenen Trümmerteile sind auf einem Steg ausgelegt.

Nur wenige Trümmer der abgestürzten Mosquito konnten aus dem Bodensee geborgen werden. (61_1)

Die Aktivitäten der Royal Air Force hielten sich in der Nacht vom 6. zum 7. April 1944 in Grenzen. Nur gerade 52 Flugzeuge wurden über den Kontinent geschickt, zwei davon kehrten nicht mehr zurück. Neben unserer Mosquito ging eine andere Maschine des gleichen Typs über Hamburg verloren. Die in Bradwell Bay bei Maldon in der englischen Grafschaft Essex beheimatete No. 605 Squadron sollte in dieser Nacht einen Intruder-Einsatz im Raum Strassburg-Bodensee fliegen. Intruder-Missionen waren speziell auf die Mosquito zugeschnitten. Eine kleine Gruppe von Maschinen sollte Tag und Nacht in zugewiesenen Sektoren feindliche Flugzeuge in der Luft und am Boden sowie andere lohnende Gelegenheitsziele wie Bahnhöfe, Fabriken und Brücken bekämpfen. Damit wurde die deutsche Luftwaffe zu ständiger, zermürbender Einsatzbereitschaft rund um die Uhr gezwungen.

Der Pilot S/Ldr Michael Negus (rechts) und sein Navigator F/O Arthur Gapper verloren beim Absturz ihr Leben. (61_2)

Der Pilot S/Ldr Michael Negus (rechts) und sein Navigator F/O Arthur Gapper verloren beim Absturz ihr Leben. (61_2)

Bei diesen Einsätzen waren die Mosquitos normalerweise nur mit 20mm-Kanonen bewaffnet. Manchmal kamen aber auch noch zusätzlich Bomben und Raketen zur Anwendung. Als erste Einheit flog die No.23 Squadron ab Juli 1942 mit ihren Mosquito Mk.II solche Einsätze. Dies war das Motto der am 15. Oktober 1926 in Castle Bromwich bei Birmingham aufgestellten No.605 Squadron. Bis zum Wechsel auf die Mosquito II im Februar 1943 flog die „County of Warwick Squadron“ Gloster Gladiator, Hawker Hurricane, Douglas Boston III und Havoc I von verschiedenen Plätzen in England, Malta und dem Fernen Osten aus. Wegen ihren präzisen und erfolgreichen Intruder-Missionen bei Tag und Nacht bis tief nach Deutschland hinein genoss die Staffel bald einen äusserst guten Ruf. Im Juli 1943 rüstete die Einheit auf die moderneren Mosquito F.B. Mk.VI um. Am 15. April 1944 konnte die No.605 Squadron ihren 100. Abschuss verbuchen. Während ihrer Karriere als Intruder-Formation brachte die „County of Warwick Squadron“ auch 73 V-1 Flugbomben sowie unzählige Eisenbahnzüge und Schiffe zur Strecke. Ab September 1944 flog die Staffel als Teil der No.2 (Bomber) Group Bombereinsätze bis Kriegsende. Am 6. April 1944 um 22.48 Uhr entschwand eine Mosquito F.B. Mk.VI im Nachthimmel. Es war eine der letzten Missionen, welche die Staffel von Bradwell Bay aus führte. Wenige Tage später verlegte die No. 605 Squadron unter neuer Führung nach Manston.

Ein Teil der Holzkonstruktion und ein wirres Durcheinander von Kabeln und Leitungen trieben auf dem Bodensee. (62_1)

Ein Teil der Holzkonstruktion und ein wirres Durcheinander von Kabeln und Leitungen trieben auf dem Bodensee. (62_1)

An Bord befand sich eine äusserst erfahrene Besatzung. Squadron Leader Michael Negus als Pilot und Flying Officer Arthur Jack Gapper als Navigator. Negus war erst einen Tag zuvor zum Squadron Leader befördert worden. Als eines der erfolgreichsten Night-Intruder-Asse seiner Staffel erzielte er seit Juli 1943 nicht weniger als drei bestätigte und zwei vermutete Luftsiege über dem besetzten Europa. Die Crew pilotierte bei ihrer letzten Mission die Mosquito F.B. (Fighter Bomber) Mk.VI mit der Nummer NS875. Sie war eine der 41 Maschinen aus dem bei De Havilland in Hatfield gebauten Kontrakt 555. Von zwei 1635 PS starken Merlin 25-Motoren angetrieben, erreichte diese eine Geschwindigkeit von 576 km/h. Die Mosquito NS875 war am 20. Februar 1944 als UP-R der No. 605 Squadron zugeteilt worden.

Um Mitternacht wurde in der Bodenseeregion Fliegeralarm gegeben. Die Intruder von der Insel hielten die deutsche und die Schweizer Flab in Trab. Am 7. April 1944 um 00.08 Uhr wurde in Uttwil ein starkes Motorengeräusch vernommen, das aber plötzlich verstummte. Wenige Augenblicke später schlug die Mosquito vier Kilometer vor Uttwil dicht an der Landesgrenze auf dem Bodensee auf. Den Grund des Absturzes hatte die unglückliche Besatzung mit ins Grab genommen. Möglicherweise war ein technischer Defekt dafür verantwortlich, denn die Fliegerabwehr trat beiderseits nicht in Aktion. Am Karfreitagsmorgen barg die Schiffahrtsinspektion Romanshorn die kläglichen, auf dem Wasser treibenden Überreste der UP-R. Mehr als eine Tragfläche, ein Federbein mit Laufrad und drei Brennstofftanks waren von der Mosquito nicht mehr aufzufinden. Das Motorschiff „Hecht“ verfrachtete die Einzelteile der „Mücke“ nach Romanshorn zur ersten Untersuchung. Später erfolgte der Abtransport nach Dübendorf, wo das Wrack verschrottet wurde. Die Besatzung konnte bis heute nicht aufgefunden werden. Sie liegt mit dem Rest der NS875 auf dem Grund des dort 200m tiefen Bodensees.


Ereignissdatum 7.4.1944
Ereignisszeit 00.12
Ort Uttwil
Kanton TG
Ereignis Absturz
Nation England
Flugzeugart Bomber
Flugzeugtyp De Havilland D.H. 98 Mosquito
Flugzeugbezeichnung De Havilland D.H. 98 Mosquito F.B.Mk.VI
Einteilung No. 605 Squadron
Basis Manston, Kent (GB)
Auftrag Jagd und Erdkampf
Einsatzziel Raum Bodensee (DE)
Rückkehr in der Schweiz verschrottet
Werknummer N5875
Kennzeichen UP-R
CH Archiv Nr. E008
Besatzung Pilot: Michael Negus, Squadron Leader, im Kampf gestorben
Navigator: Arthur Jack Gapper, F/O, im Kampf gestorben
Quelle Fremde Flugzeuge in der Schweiz
Autor Theo Wilhelm