Erste B-17-Landungen in der Schweiz
Der Bomber mit dem Kennzeichen S und dem Übernamen „Battle Queen“ musste nach einem Einsatz über Regensburg in Utzenstorf eine Bruchlandung ausführen und ist in der Schweiz verschrottet worden.
Die Boeing B-17, während der Kriegsjahre besser als „Fliegende Festung“ bekannt, sorgte schon vor dem Krieg mit zahlreichen Rekordflügen für internationales Aufsehen. Sie war von der Literatur her auch hierzulande bestens bekannt. Am 17. August 1943 griffen 127 Bomber des 4th Bomb Wing der in England stationierten 8th Air Force die Messerschmitt-Werke in Regensburg an. Als taktische Überraschung für die gegnerische deutsche Luftwaffe sah der Angriffsplan vor, nicht mehr auf die Ausgangsbasen zurückzukehren. Die Flugzeuge sollten vielmehr nach der Bombardierung der bayrischen Industriemetropole die Alpen überqueren und auf Behelfsflugfelder in Nordafrika niedergehen. Zwei schwer angeschlagene „Fliegende Festungen“ suchten bei diesem Angriff Zuflucht in der Schweiz.
Die Bauchlandung einer B-17F-85-BO der 100th Bomb Group in Dübendorf, sowie einer B-17F-95-BO im bernischen Utzenstorf bildeten sowohl für die Fliegertruppe, als auch für die Bevölkerung eine regelrechte Sensation. Der nachfolgende Bericht schildert die Landung der ersten beiden B-17 am 17.August 1943 in Utzenstorf und Dübendorf. Regensburg. Der Name dieser deutschen Industriestadt ist wohl für immer mit einem der blutigsten Kapitel der 8.US-Luftflotte verbunden. Hauptziele der Amerikaner waren neben den U-Boot-Bunkern und Hydrieranlagen immer wieder die Industriebetriebe im Reichsgebiet. Diese Fabriken bildeten aber eine harte Nuss für die Bomber, lagen doch die meisten im Herzen Deutschlands, gut verteidigt von unzähligen Flabbatterien und einer Luftwaffe, die zu dieser Zeit noch ein ebenbürtiger und gefürchteter Gegner der Bomber war. Im Sommer 1943 hatten im wesentlichen erst die Städte im Norden und Nordwesten den Bombenterror zu spüren bekommen, entscheidend geschwächt wurde die deutsche Industrie durch diese Angriffe jedoch nicht.
Nach wie vor rollten Unmengen von Flugzeugen und Panzern von den Fliessbändern, Flugzeuge, die später den Bomberbesatzungen das Leben sauer machen konnten. Auch General Henry „Hap“ Arnold, Oberkommandierender der 8. Luftflotte, sah sich mit diesem Problem konfrontiert. Wenn erst einmal diese Schwerpunkte der Flugzeugindustrie ausgeschaltet sein würden, so sein Gedanke, dann konnten die Bomber ungehindert verheerende Angriffe bis tief ins Reichsgebiet hinein führen.Tatsache war, dass 48 % aller Messerschmitt Bf 109 in Regensburg und Wiener-Neustadt hergestellt wurden. Klar, dass diese Städte auch ganz zuoberst auf „Hap“ Arnolds Liste standen. Regensburg lag ungefähr 850km von den Basen des 4th Bomb Wing entfernt. Man war sich bewusst, dass nur eine sehr sorgfältige Vorbereitung Erfolg versprach.
Die Bomber des 4th Combat Wing, später 3rd Air Division, alle ausgerüstet mit den reichweiten-vergrössernden „Tokyo-Tanks“, sollten Regensburg angreifen, dann aber, um den Gegner zu verwirren, nach Süden abdrehen und nach der Überquerung der Alpen auf den amerikanischen Basen in Nordafrika heruntergehen. Um die Verwirrung noch komplett zu machen, sollten die Bomber des 1st Combat Wing die Kugellagerfabriken in Schweinfurt angreifen und dann wieder zu ihren Basen in England zurückkehren. Der Angriff wurde auf den 17. August 1943 festgelegt. Ein Jahr zuvor hatten zwölf B-17 der 97th Bomb Group den ersten Angriff der 8th Air Force auf die „Festung Europa“ geflogen. Seither waren 404 Flying Fortress und Liberator über Europa verloren gegangen. Um 8.35 Uhr erhob sich der 127 Bomber starke Tross des 4th Bomb Wing mit Ziel Regensburg. Begleitet wurde die Formation, allerdings nur bis knapp an die deutsche Grenze, von 240 Republic P-47 Thunderbolt. Um 9.00 Uhr passierten die B-17 die holländische Küste. Den Deutschen war natürlich nicht verborgen geblieben, was sich da im Anflug befand. Kurz nach Brüssel griffen einige Focke Wulf Fw 190 an, und die ersten vier B-17 wurden aus dem Verband herausgeschossen. Ein gnadenloser Luftkampf entbrannte, bis kurz vor den Alpen waren die B-17 der Luftwaffe und der Flab ausgeliefert.
Dennoch, die Angriffe konnten die Bomber nicht von ihrem Weg abbringen. Um 10.37 Uhr kam Regensburg in Sicht, bei hervorragendem Wetter hatten die Flugzeuge keine Probleme, die Bomben möglichst genau ins Ziel zu bringen. P-38 Aufklärerfotos zeigten, dass das Werkareal zu zwei Dritteln zerstört war, dazu noch wichtige Bestandteile des Messerschmitt Me-262 Prototyps, was die Entwicklung des hochgeheimen Supervogels wesentlich verzögerte. Zur grossen Überraschung der Deutschen drehten die Bomber nach dem Angriff gegen Süden ab. Vergeblich hatte die Luftwaffe im Nordwesten alle Einheiten in grösste Alarmbereitschaft versetzt, um den Riesenvögeln beim Rückflug den Garaus zu machen. Die B-17 hatten auch so genug Probleme. Viele führten Tote und Verwundete an Bord. Angeschossene Motoren und lecke Treibstofftanks nährten die drückende Ungewissheit, jemals das rettende Nordafrika zu erreichen. Eine Besatzung versuchte, ihre angeschlagene B-17 bis nach Spanien durchzubringen, doch über Toulouse mussten sie ihre Maschine aufgeben.
Die neutrale Schweiz bot sich als Landeplatz für angeschlagene Bomber geradezu an. 2nd Lt Stephen Paul Rapport von der 390th Bomb Group nützte diese Chance. Diese mit drei Missionen jüngste Gruppe im 4th Bomb Wing erzielte die beste Trefferrate aller beteiligten Gruppen, sie büsste aber auch sechs Maschinen ein. Die „Battle Queen- Peg of my Heart“ trennte sich kurz nach Regensburg von ihrer Einheit. Rapport schaffte es, seine ziemlich angeschlagene B-17 an allen Jägern vorbei in die Schweiz zu mogeln. Um 13.45 Uhr setzte er seine müde Queen mit eingezogenem Fahrwerk auf einer Wiese in der Nähe von Utzenstorf im Kanton Bern auf. Die B-17F-95-BO mit der Werknummer 42-30315 wurde später von den Schweizern demontiert und nach einer genauen Untersuchung nach dem Krieg verschrottet. Auch zwei Maschinen der 100th Bomb Group trennten sich von ihrem Verband in Richtung Schweiz. Col William Kennedys B-17, deren rechter Innenmotor nach einem Treffer in Flammen stand, musste mit seiner Crew den Bomber noch über Deutschland verlassen.
Lt. Kenneth Oakes hatte mit seiner „High Life“ mehr Glück. Schon kurz nach dem Einflug wurde seine Maschine von einem Morane-Jäger in Empfang genommen und sicher nach Dübendorf geleitet. Für Oakes und seinen Copiloten Joseph Caldwell Harper war es Schwerstarbeit, ihre B-17F-85-BO auf dem ungewohnten und kurzen Platz sicher herunterzubringen. Die „High Life“ kam denn auch etwas zu „high“ und zu schnell angeflogen, nach etwa der Hälfte der Piste wies die EP-F immer noch eine Höhe von 10m auf. Oakes der seiner kranken B-17 keinen zweiten Anflug zumuten wollte, drückte die „High Life“ in den Sturzflug. Bei der brutal harten Landung flog das linke Hauptfahrwerkrad in hohem Bogen davon. Mit knapper Not konnten die Piloten einen Überschlag verhindern. Schliesslich kam die Maschine in einer riesigen Staubwolke zum Stehen. Solch eine spektakuläre Landung hatten die Dübendorfer schon lange nicht mehr erlebt, es sollte aber nicht die Letzte sein in dieser hektischen Zeit.
Nach der Reparatur des Hauptfahrwerkes wurde die B-17 mit der Werknummer 42-30080 neben den Hangars des heutigen Fliegermuseums abgestellt und nach dem Krieg noch in der Schweiz verschrottet. „High Life“ ist der Name eines bekannten Bieres der amerikanischen Firma Miller, das in den USA immer noch erhältlich ist. Auf dem Flugzeug war denn auch ihr Signet, ein Mädchen, das auf dem Mond reitet, aufgemalt. Die Besatzung wollte mit diesem Übernahmen wohl auf das strickte Alkoholverbot, dem sich die amerikanischen Flieger in England unterziehen mussten, hinweisen. Ziehen wir zum Schluss noch die Bilanz dieses Tages. Um 16.20 Uhr setzten die letzten der 115 überlebenden Flying Fortress in Nordafrika auf. Mehrere Bomber mussten nach der Alpenüberquerung im Mittelmeer notwassern, eine stürzte über Italien ab. Nur gerade sechzig dieser Maschinen kehrten am 24. August 1943 nach England zurück. Die anderen befanden sich in einem nicht mehr reparierbaren Zustand.
Ereignissdatum | 17.8.1943 |
Ort | Utzenstorf |
Kanton | BE |
Ereignis | Notlandung |
Nation | Amerika |
Flugzeugart | Bomber |
Flugzeugtyp | B-17 Flying Fortress |
Flugzeugbezeichnung | B-17 F-95-BO |
Flugzeug-Spitzname | Battle Queen |
Einteilung | 8th Air Force, 390th Bomb Group, 569th Squadron |
Basis | Framlingham (GB) |
Auftrag | Bombardierung |
Einsatzziel | Regensburg (D) |
Rückkehr | in der Schweiz verschrottet |
Werknummer | 42-30315 |
Kennzeichen | S |
CH Archiv Nr. | A002 |
US MACR Nr. | 391 |
Besatzung | Pilot: Stephen P. Rapport, Jr., 1st Lt Copilot: Elmer R. Holloway, 2nd Lt Navigator: Grover D. Boyd, Jr., 2nd Lt Bombardier: Charles O. Ryan, 2nd Lt Engineer: John S. Cott, S/Sgt Radio: William R. Carter, S/Sgt Ball Turret: Theodore P. Obsharsky, S/Sgt Right Waist: Joseph W. russell, Jr., Sgt Left Waist: Blair C. Neal, S/Sgt Tail Gunner: Ricardo Robledo, Sgt |
Quelle | Cockpit |
Autor |