Ereignisse

Flucht in die Schweiz

Die Maschine mit dem Kennzeichen I5+70 diente zwei ungarischen Fluglehrern zur Flucht. Das Flugzeug wurde in der Schweiz zivil immatrikuliert und stürzte später bei Luzern ab.

Die Levente auf dem Flugplatz Dübendorf.

Die Levente kurz nach der Landung in Dübendorf. (405_1)

Ungarn war das einzige mit dem Dritten Reich verbündete Land, das bis zuletzt an der Seite der Deutschen in Europa gekämpft hat. Ungarische Luftwaffeneinheiten setzten noch verbissen den Kampf gegen die Rote Armee fort, als ihr Land schon lange von der russischen Kriegsmaschinerie überrollt worden war. Weitgehend unbekannt ist auch, dass der grösste Teil Ungarns von rumänischen Verbänden eingenommen wurde. Die Rumänen schlossen sich am 23. August 1944 nach einem Volksaufstand den Alliierten an und traten in den Kampf gegen die Achsenmächte ein.Der Rückzug der ungarischen Truppen gestaltete sich in den letzten Kriegswochen alles andere als geordnet. Die Rote Armee stiess an allen Fronten unaufhaltsam vorwärts. Die Bodentruppen sowie die Fliegereinheiten zogen sich planlos zurück. Viele ungarische Einheiten, oder vielmehr ihre dürftigen Überbleibsel, standen im April/Mai 1945 in Österreich, der Grossteil davon in der Gegend von Hörsching, Pocking und Raffelding, wo die meisten Einheiten dann auch kapitulierten.Am 12. April 1945 setzten die beiden Fluglehrer Johann Körney und Zoltan Vajda-Szabo ihre schon lange geplante Flucht von Linz in die Schweiz in die Tat um. Als Transportmittel benutzten sie eine Levente II, welche sie aber vor dem Abflug neu bemalten. So wurden das rot-weiss-grüne Seitenleitwerk sowie die weissen Kreuze am Rumpf mit grüner Farbe übertüncht.Auch die militärische Immatrikulation wurde verändert.

Die HB-TAC nach der Grundüberholung durch die Aero-Union in Grenchen im hellgrauen Kleid. (406_1)

Die HB-TAC nach der Grundüberholung durch die Aero-Union in Grenchen im hellgrauen Kleid. (406_1)

Alle Levente II hatten eine aus einem I (Iskola, Schule) und einer dreistelligen Zahl bestehende Markierung. Diese Kombination wurde dann auf F9+ZC abgeändert. Das wirkliche Kennzeichen war mit grösster Wahrscheinlichkeit I5+70. Dies wäre eine der letzten überhaupt produzierten Levente II gewesen, welche in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 die Werkhalle der Repülogepgyar R.T. in Budapest verlassen hatte. Die Maschine war denkbar schlecht gewartet, so fehlten die beiden Borduhren und der Deckel für den Sanitätskasten.Um 8.20 Uhr startete die Besatzung vom Flugfeld von Linz. Die beiden kriegsmüden Ungaren erreichten ohne grössere Probleme die Schweiz und landeten um 10.50 Uhr von Osten her kommend normal auf dem Flugfeld von Dübendorf. Den schweizerischen Untersuchungsbehörden fiel sofort die äusserst schlechte Wartung auf. Im Propeller fanden sie beispielsweise Risse im Holz. Ganze 15 Liter Benzin waren nach der Landung in den Tanks verblieben. Der bisher in der Schweiz völlig unbekannte Typ stiess verständlicherweise auf einiges Interesse.

Als HB-TAC weiter in der Schweiz
Die Levente II verblieb zwei Jahre lang in Dübendorf. Am 25. April 1947 wurde die Maschine der ungarischen Gesandtschaft in der Schweiz, vertreten durch den Militärattache Dr. Laszlo Rakollczai, übergeben. Nach eingehender Kontrolle wurde auch ein Probeflug unternommen. Am 2.Internationalen Flugzeugmarkt erwarb die Aero Union in Grenchen die Maschine und unterzog sie einer Totalrevision. So wurde die Levente II vollkommen neu eingetucht. Gleichzeitig wurde der Schleifsporn durch ein Spornrad ersetzt. Gegen Ende Mai 1948 waren die Arbeiten beendet, und auf Grund einer provisorischen Flugbewilligung konnten auch Testflüge unternommen werden.Ein Hindernis zur Ausstellung einer definitiven Flugzulassung bildete das Fehlen jeglicher Dokumentation über dieses Flugzeug. Erst als aus Ungarn eine Bescheinigung eingetroffen war, konnte ein Lufttüchtigkeitszeugnis ausgestellt werden. Diese letzte bürokratische Hürde nahm die Levente II im Oktober 1948. Die nun hellgrau gestrichene Maschine erhielt die Immatrikulation HB-TAC.Doch die Freude über den ungarischen Exoten währte für den Besitzer nicht lange, denn nach etwa 60 Flugstunden kapotierte die Maschine im Juli 1949, wobei sie erheblich beschädigt wurde. Im September 1950 erwarb die Motorfluggruppe Luzern die Überreste, welche noch im gleichen Monat den Pilatus-Werken in Stans zur Kontrolle angeliefert wurden. Am Stahlrohrrumpf wurden keinerlei Risse im Material oder den Schweissnähten gefunden. Dann wurde die Levente II von der Motorfluggruppe Luzern einer Totalrevision unterzogen, welche den ganzen Winter dauerte. Gleichzeitig wurde der MAVAG-Hirth von nur 105 PS durch einen Siemens SH-14A4 von 160 PS ersetzt.

Nach der Kapotage wurde die Levente II bei der Motorfluggruppe Luzern repariert und mit einem Siemens SH 14A4 von 160 PS ausgerüstet. Dies bewirkte auch eine Umkonstruktion des Fahrwerkes. (407_1)

Nach der Kapotage wurde die Levente II bei der Motorfluggruppe Luzern repariert und mit einem Siemens SH 14A4 von 160 PS ausgerüstet. Dies bewirkte auch eine Umkonstruktion des Fahrwerkes. (407_1)

Nach beendeter Reparatur wurde die nun mit einem Sternmotor versehene Levente II zur Flugerprobung nach Emmen gebracht. Die Tests begannen im Mai 1951 durch die beiden KTA-Piloten E. Wyss und B. Schmitt. Diese beanstandeten, dass die Standfestigkeit beim Rollen mit dem neuen Motor wegen dem weiter nach vorne verlagerten Schwerpunkt stark beeinträchtigt war. Schliesslich wurde das Fahrwerk im Juni 1951 abgeändert, wobei die Radachse etwa 16cm nach vorne verschoben wurde. Am 13. August 1951 erhielt die Levente II die definitive Verkehrsbewilligung. Anschliessend nahm die Maschine den Dienst bei der Motorfluggruppe Luzern auf. Obwohl der Kunstflug mit zwei Personen in Ungarn nicht erlaubt war, setzten die Luzerner die Levente II häufig zum Kunstflugtraining ein. Das Luftamt hatte in seinem Lufttüchtigkeitszeugnis nur eine Einschränkung für alle gestossenen Kunstflugfiguren, nicht aber für den Kunstflug generell mit zwei Personen, erteilt. Am 10. August 1952 stürzte die Levente II beim Akrobatiktraining in der Nähe der Allmend Luzern ab. Während sich der Pilot Hans Zürcher mit dem Fallschirm retten konnte, fand der Kunstflugschüler Gottfried Roelli beim Aufschlag der Maschine im Bireggwald den Tod. Zwischen der Totalrevision und dem Absturz absolvierte die Levente II 50 Flugstunden. Im gleichen Zeitabschnitt wurden etwa 120 Vrillen durchgeführt. Der Einbau des neuen Motors verschlechterte jedoch die Vrille-Eigenschaften wesentlich. Beim Unglücksflug geriet die Levente II in eine flache Vrille, aus welcher sie nicht mehr herausgesteuert werden konnte. Die Trümmer der Maschine wurden nach einer genauen Untersuchung dem Altmaterial zugeführt.


Ereignissdatum 12.4.1945
Ereignisszeit 10.50
Ort Dübendorf
Kanton ZH
Ereignis Landung
Nation Ungarn
Flugzeugart Trainer
Flugzeugtyp Levente II
Flugzeugbezeichnung Levente II
Basis Linz (A)
Rückkehr Übernahme durch die Schweiz
Kennzeichen I5+70
CH Archiv Nr. U001
Besatzung Pilot: Johann Környei, Fluglehrer
Begleitung: Zoltan Vajda-Szabo, Fluglehrer
Quelle Fremde Flugzeuge in der Schweiz
Autor Theo Wilhelm